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Der No-show-Patient – ein Ärgernis

Patienten, für die längere Behandlungstermine vorgesehen sind und nicht erscheinen, haben unmittelbar Einnahmeausfälle der Praxis zur Folge. Welche – zulässigen – rechtlichen Möglichkeiten bestehen, sich vor solchen wirtschaftlichen Folgen zu schützen?

Zunehmend lässt sich beobachten, dass Patienten Behandlungstermine vereinbaren, diese jedoch nicht wahrnehmen. Dies gilt sowohl für persönlich abgesprochene, telefonisch vereinbarte oder über Online-Buchungen vorgesehene Termine. Derartige Ausfallzeiten lassen sich durchaus reduzieren, wenn die Patienten bei Vereinbarung des entsprechenden Behandlungstermins ausdrücklich auf rechtliche Folgen im Falle der Nichtwahrnehmung dieses Termins hingewiesen werden. Bereits ein solcher Hinweis dürfte regelmäßig geeignet sein, die Patienten anzuhalten, Termine rechtzeitig abzusagen. Sofern der Patient trotz dieses Hinweises einen (längeren) Behandlungstermin schuldhaft nicht wahrnimmt oder nicht rechtzeitig absagt, kann ein Ausfallhonorar geltend gemacht werden.

Voraussetzung für die Geltendmachung eines Ausfallhonorars ist nach überwiegender Rechtsprechung der regelmäßig zuständigen Amtsgerichte, dass

  • mit dem Patienten ein fester Termin vereinbart wurde,
  • dem Patienten (nachweisbar) erklärt und vereinbart wurde, dass dieser Termin ausschließlich für ihn reserviert ist und ggf. rechtzeitig (24-48 Stunden) abgesagt werden muss und
  • er darauf hingewiesen wird, im Falle der schulhaften Nichtwahrnehmung des Behandlungstermins zum Schadensersatz – entweder in Höhe der zu erwartenden Behandlungskosten oder aber nach Maßgabe eines pauschalen Stundensatzes – verpflichtet ist, sofern der Patient den vereinbarten Termin nicht wahrnimmt.

Eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob und unter welchen Umständen ein Zahnarzt Ausfallhonorar gegenüber No-show-Patienten geltend machen kann, liegt bislang nicht vor. Angesichts der relativ geringen Streitwerte finden derartige Rechtsstrei-tigkeiten regelmäßig vor den Amtsgerichten, nur vereinzelt vor den Landgerichten statt.

Streitstand in Rechtsprechung und Literatur
Nach einer in der Rechtsprechung verbreiteten Ansicht stellt die Festlegung eines Behandlungstermins beim Arzt keine verzugsbegründende Fixierung eines Termins dar mit der Folge, dass die Bestimmung des § 615 BGB nicht zur Anwendung kommt und dem Zahnarzt kein Vergütungsanspruch gegen den säumigen Patienten zusteht. Andere Gerichte gestehen dem Zahnarzt insoweit allerdings einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der §§ 280 Abs. 1 S. 1, 252 BGB (Verzug) zu. Zur Begründung stellt diese Ansicht zunächst auf den Sinn und Zweck von Terminabsprachen ab. Terminabsprachen seien im Geschäftsleben weitgehend üblich. Sie würden in der Regel aber nur helfen, zeitliche Planungen der Geschäftspartner zu koordinieren, ohne dass daran einschneidende rechtliche Folgen geknüpft werden sollen. Dementsprechend diene auch die Vereinbarung eines Behandlungstermins primär nur der reibungsloseren Abwicklung des Praxisablaufs. Daher fehle regelmäßig auf beiden Seiten der für die Verbindlichkeit des Behandlungstermins erforderliche Rechtsbindungswille. Im Übrigen sei ein Ausfallhonorar des Zahnarztes auch deshalb abzulehnen, weil der Patient für Wartezeiten im ärztlichen Bereich ebenfalls keinen Ausfallersatz verlangen könne. Diejenigen Gerichte, die stattdessen einen Schadensersatzanspruch des Zahnarztes – zumindest dem Grunde nach – bejahen, begründen diesen mit den vertraglichen Nebenpflichten des Patienten, die auch die Verpflichtung zur rechtzeitigen Terminabsage beinhalten würden.

Demgegenüber vertritt eine andere Ansicht in der Rechtsprechung eine vermittelnde Ansicht: Legt der Zahnarzt seine Patiententermine in der Weise fest, dass er mehrere Patienten zur selben Zeit bestellt, weil er von der einen oder anderen Terminabsage ausgeht, so dient die jeweilige Terminvereinbarung lediglich der Vermeidung von überlangen Wartezeiten. In einem solchen Fall besteht kein Anspruch auf ein Ausfallhonorar. Wenn ein Zahnarzt hingegen bei einem Patienten eine längere Behandlung plant und nicht gleichzeitig andere Patienten für diesen Termin einbestellt, „so wollen Arzt und Patient, die sich beide in ihren Dispositionen auf die vereinbarte Terminstunde einrichten, die Diensthandlung auch gerade zu diesem Termin vorgenommen wissen. In diesem Fall sei eine kalendermäßige Bestimmung i. S. d. § 296 BGB anzunehmen. Entscheidend ist insoweit also die jeweilige Praxisorganisation. Betreibt der Zahnarzt eine Bestellpraxis, ist der vergebende Termin nach dieser Auffassung als eine kalendermäßige Bestimmung i. S. d. § 296 BGB zu qualifizieren, so dass der Zahnarzt bei einem Ausbleiben des Patienten gegen diesen einen Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs hat.

Kündigt der Patient den Behandlungsvertrag gem. § 627 BGB (unverschuldet bzw. aus wichtigem Grund) vor dem geplanten Behandlungsbeginn, hat der Zahnarzt keinen Anspruch aus § 615 BGB. Dies gilt unter Umständen selbst dann, wenn der Patient den Termin überaus kurzfristig absagt. Sagt der Patient hingegen unmittelbar nach dem vereinbarten Behandlungstermin ab, liegt zwar eine wirksame Kündigung vor, die den Annahmeverzug ex nunc beendet. Die Folgen des § 615 BGB treten gleichwohl ein, da hierfür bereits der Annahmeverzug von einer Minute genügt. Insgesamt hängt damit der Anspruch des Zahnarztes aus § 615 BGB davon ab, wann der Patient den Behandlungsvertrag kündigt. Der Patient kann seinen Interessen also durch eine rechtzeitige Kündigung des Vertrages ausreichend Rechnung tragen. Dem Zahnarzt bleibt es unbenommen, sich durch eine vertraglich vereinbarte Einschränkung des Kündigungsrechts (Absage 24-48 Stunden vor dem Termin) hinreichend abzusichern.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass bei gesetzlich versicherten Patienten das Kündigungsrecht bereits kraft Gesetzes durch die von § 76 Abs. 3 S. 1 SGB V angeordnete Quartalsbindung faktisch einschränkt ist. Wenn aber schon vom Gesetzgeber selbst in Form der Vorschrift des § 76 Abs. 3 S. 1 SGB V eine faktische Einschränkung des Kündigungsrechts durch eine Kündigungsfrist von bis zu einem Quartal geschaffen wird, muss eine Kündigungsfrist von 24-48 Stunden erst recht zulässig sein. Ein entsprechender Umkehrschluss drängt sich nahezu auf. Eine Kündigungsfrist von mindestens 24 Stunden wird dabei in der Regel deshalb anzunehmen sein, weil der Zahnarzt nur innerhalb eines solchen Zeitraums einen Ersatzpatienten einbestellen kann.

Insgesamt ist damit die Vereinbarung einer 24-stündigen (bis zu maximal 48-stündigen) Kündigungsfrist bei zahnärztlichen Behandlungsverträgen mit den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) vereinbar und somit zulässig. Teilt der Patient demzufol-ge bei entsprechender Vereinbarung seine Verhinderung nicht rechtzeitig mit, kann der Zahnarzt grundsätzlich die vertraglich geschuldete Vergütung gem. §§ 611, 615 BGB verlangen. Gleiches gilt, wenn der Patient zum vereinbarten Termin schlicht nicht erscheint, da es insoweit bereits an einer wirksamen Kündigung fehlt.

Höhe der Vergütung
In der früher geltenden Fassung der GOZ bzw. GOÄ war für den Zeitverlust, den ein Zahnarzt durch das Nichterscheinen eines Patienten erlitt, eine „Verweilgebühr“ vorgesehen. Eine solche Gebühr ist indes in der aktuellen Fassung der Gebührenordnung nicht mehr enthalten. Demzufolge ist der Vergütungsanspruch des Zahnarztes auf der Grundlage der §§ 611, 615 BGB nicht mehr auf den Betrag dieser ursprünglichen Gebühr beschränkt, sondern bestimmt sich nunmehr nach den allgemeinen Vorschriften des BGB. So kann der Zahnarzt die Vergütung für die infolge des Verzuges nicht geleisteten
Dienste verlangen, also den Betrag, den er verdient hätte, wenn der Patient nicht in Verzug geraten wäre. Dabei ergibt sich der Betrag, den der Zahnarzt für die Vornahme der Behandlung hätte fordern können, aus der Gebührenordnung (GOÄ bzw. GOZ), regelmäßig nach dem 2,3-fachen Faktor (ohne Auslagen).

Die voranstehenden Ausführungen gelten sowohl für Privatpatienten als auch für gesetzlich Versicherte gleichermaßen. Denn auch bei Kassenpatienten ist das Honorar wegen Nichterscheinens dem Kassenpatienten privat in Rechnung zu stellen. Es handelt sich insoweit um Leistungsstörungen im Verhältnis zwischen Vertragszahnarzt und Kassenpatient, die nicht Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung sind. Allerdings dürfte hier der Anspruch der Höhe nach auf den Betrag begrenzt sein, den der Zahnarzt auf der Grundlage des BEMA-Z erhalten hätte. Andernfalls würde der Zahnarzt auf der Grundlage der Gebührenordnung gegebenenfalls bessergestellt werden, so dass er einen Vorteil erlangt, wenn der Patient nicht zur Behandlung erscheint.
Auch in den übrigen Fällen muss sich der Arzt gem. § 615 S. 2 BGB dasjenige anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Behandlung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben hat oder zu erwerben unterlassen hat. Das bedeutet, dass der Zahnarzt, der in der Lage ist, statt des nicht erschienen Patienten einen anderen Patienten zu behandeln, sich dieses Honorar anspruchsmindernd anrechnen lassen muss. Ebenso wirkt es sich anspruchsmindernd aus, wenn der Zahnarzt in der Zwischenzeit andere Tätigkeiten in seiner Praxis, bspw. Verwaltungstätigkeiten, verrichten kann.

Alternativ kann nach Auffassung einiger Gerichte eine angemessene Stundenvergütung vereinbart werden. Die Höhe des Ausfallhonorars bemisst sich dann an den (im Streitfall nachzuweisenden) durchschnittlichen Umsätzen der Praxis; anerkannt wurden insoweit Beträge zwischen € 80-150 pro Stunde.

Fazit
Insgesamt kann der Zahnarzt also im Falle der Säumnis eines Patienten ein Ausfallhonorar verlangen, soweit er eine Bestellpraxis betreibt. Damit ihm auch bei einer kurzfristigen Absage des Patienten der Vergütungsanspruch erhalten bleibt, ist er gehalten, eine Kündigungsfrist mit dem Patienten zu vereinbaren. Es bietet sich insofern eine vorformulierte Klausel an, die entweder auf dem Anmeldebogen oder auf der Terminvereinbarung ausformuliert werden kann. Die Vereinbarung ist vom Patienten zu unterschreiben. Als Formulierung kommt in Betracht:

„Sie kommen zur Behandlung in eine Praxis, die nach dem Bestellsystem geführt wird. Das bedeutet, dass die vereinbarte Zeit ausschließlich Ihnen vorbehalten wird, wodurch lange Wartezeiten vermieden werden. Sollten Sie den jeweils vereinbarten Termin nicht einhalten können, müssen Sie diesen spätestens 24 Stunden vorher absagen, damit wir die für Sie vorgesehene Zeit noch anderweitig verplanen können. Sollten Sie den Termin nicht innerhalb dieser Frist absagen, kann Ihnen gemäß §§ 611, 615 BGB eine Vergütung auf der Grundlage der einschlägigen Gebührenordnung (alternativ € xx/Stunde)  in Rechnung gestellt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Sie den Termin aus eigenem Verschulden nicht wahrgenommen bzw. es schuldhaft versäumt haben, diesen rechtzeitig abzusagen. Ihr Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) bleibt hiervon unberührt.“

Eine absolute Rechtssicherheit kann jedoch in Anbetracht der vielfältigen divergierenden Ansichten innerhalb der Rechtsprechung nicht geschaffen werden. Ob mithin ein Gericht dem Vergütungsanspruch überhaupt stattgibt, einen Schadensersatzanspruch bejaht und auch der Höhe nach bestätigt, steht im Ermessen des Tat-
richters. Und dort sind alle – wie wir wissen – „in Gottes Hand“. Gleichwohl sollte eine derartige Vereinbarung sinnvoll sein, um die Patienten anzuhalten, vereinbarte Termine einzuhalten bzw. im Falle ihrer Verhinderung zumindest rechtzeitig abzusagen.

Sven Hennings
Fachanwalt für Medizinrecht
CausaConcilio Hamburg