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Information der Zahnärztekammer und der KZV Hamburg

Anleitung zur Praxisauflösung ohne Nachfolger

Trotz guter Gewinne in früheren Jahren keine Nachfolge? Lesen Sie nachstehend den Erfahrungsbericht eines Hamburger Zahnarztes ...

Trotz guter Gewinne in früheren Jahren keine Nachfolge?

Es gibt verschiedene Erklärungen für das Phänomen:

  • Zahl der Praxis-Abgeber und Praxis-Gründer/Übernehmer

Leider ist die demografische Entwicklung so, dass derzeit (2022) die geburtenstarken Zahnarztjahrgänge in den Ruhestand wechseln und auf geburtenschwächere Jahrgänge potentieller Praxisgründer und –Gründerinnen treffen.  Großes Angebot trifft auf geringere Nachfrage.

  • Nachfragende haben ganz andere Vorstellungen als Abgebende

Es hat in der Tat einen Wandel in der Art der Berufsausübung gegeben, sei es durch die Work-Life-Balance, den Wunsch nach Job-sharing, den Einsatz von digitalen Hilfsmitteln, medialem Auftritt, Design, speziellen Geräten für einen Tätigkeitsschwerpunkt. Oft ist die abzugebende Praxis langsam gewachsen, entspricht aber weder in der räumlichen Aufteilung noch in der sonstigen Ausstattung den Vorstellungen von Modernität und der „Traumpraxis“. Während früher eine schnelle Niederlassung nötig war, weil es nur wenige Möglichkeiten für angestellte Tätigkeiten gab, bereiten sich die frisch examinierten Kolleginnen und Kollegen länger in einer angestellten Tätigkeit vor und entwickeln genaue Vorstellungen, wie sie selbstständig tätig sein wollen. Wenn sie diesen Schritt dann machen wollen, möchten sie sich verwirklichen und nicht in einer Praxis beginnen, die sie komplett umstrukturieren müssten; auch ein Umbau nach und nach und gleichzeitiges Arbeiten ist deshalb schwer vorstellbar. Eine Praxis mit Inventar zu kaufen, nur um sie komplett abzureißen, ist wahrscheinlich zu teuer, zumal auch die „Patiententreue“ geringer ausgeprägt ist – zumindest in Großstädten wie Hamburg.

  • Berater sind auch im Prozess beteiligt

Es macht eigentlich immer Sinn, Berater zu befragen, aber man muss deren Ambitionen und Honorare auch im Blick behalten. Abgebende werden häufig mit einem Motto beraten: „Machen Sie die Braut schön“; doch macht es wirklich Sinn, neue Einheiten und teures Gerät zu kaufen, wenn man die Suchenden und deren Wünsche noch gar nicht kennt? Gewiss, eine Praxis muss so aussehen, dass sie nicht unappetitlich wirkt, aber schon bei der Farbgebung und Wandgestaltung gibt es so viele Geschmäcker, dass es sich darüber trefflich streiten lässt, ob eine Käuferin oder ein Käufer damit gewonnen werden kann.

Gleichzeitig werden Praxisgründerinnen und Gründer von den Beratern getrieben, sich die neuesten Gerätschaften und Designs auszusuchen, obwohl die künftigen Patienten danach die Praxis gar nicht bewerten (können). Dann entsteht nach der Beratung eine Summe (Kaufpreis des Abgebenden plus Handwerker-Renovierung plus Neuausrüstung), die einen beängstigend hohen Kredit auslöst. Und wer vorsichtig ist, will dann lieber noch etwas ansparen. Und wer hart verhandeln will, glaubt den Kaufpreis drücken zu können.

Das Ende vom Lied: Das Geschäft platzt; das Berater-Honorar ist dennoch fällig.

  • Niederlassungsfreiheit für Zahnärzte

Allgemeinärzte und Fachärzte müssen Kassenzulassungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragen und die Kassenarztsitze sind in der Zahl begrenzt.

Zahnarztpraxen können quasi überall gegründet werden, auch wenn ein Zulassungsverfahren durch die KZV geregelt ist, bevor man beginnen kann.

Deshalb müssen die Immobilie, das Inventar, das Personal/Team und der Patientenstamm einer bestehenden Zahnarztpraxis schon attraktiv oder günstig sein, wenn es von einem Nachfolger/einer Nachfolgerin gekauft werden soll. Ansonsten kann ein mutiger Neugründer sich auch einfach so niederlassen – wenn das Startkapital vorhanden und ein Kreditgeber vom Konzept überzeugt ist.

  • Strukturwandel: Von der Einzelpraxis zu größeren Verbünden

Bis 2007 gab es den „angestellten Zahnarzt“ heutiger Prägung in der Praxis mit Kassenzulassung nicht, sondern in der Regel eine zweijährige Ausbildungs-Assistenten-Zeit, nach der eine Niederlassung angestrebt werden sollte. Der Beruf Zahnarzt (generisches Maskulin) wird derzeit überwiegend von Frauen angestrebt und per Examen erreicht. Auch diese Zahnärztinnen planen (laut verschiedener Umfragen) die Niederlassung, streben auch durchaus die Einzelpraxis an, aber faktisch ist auch zu bemerken, dass die Niederlassung später, nach längerer Assistenzzeit, erfolgt und doch die Zahl derjenigen, die keine Selbstständigkeit anstreben, langsam steigt.

Auch in einer Praxis, die einem Zahnarzt oder einer Zahnärztin gehört, können bis zu drei angestellte Zahnärzte/ Zahnärztinnen beschäftigt werden.

 

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber größere Verbünde erlaubt: Die MVZ´s  - medizinische Versorgungszentren, die es früher gar nicht gab und die manchmal so groß und fremdfinanziert sind, dass sie der Industrie- und Handelskammer und deren Regelungen angehören.

Etliche Betriebswirte und Geschäftsführer glauben auch, dass eine größere zeitliche Auslastung von Praxisimmobilien, teuren Geräten, Praxissoftware und ein besseres Personalmanagement und die Darstellung im Wettbewerb in größeren Praxen zu mehr wirtschaftlichem Erfolg bzw. Gewinn führen; das ist z.B. im Schichtbetrieb möglich von morgens früh bis abends spät – vielleicht sogar 6 Tage in der Woche.

 

Fakt ist aber auch, dass es noch immer viele Einzelpraxen mit sehr gutem Gewinn für den alleinigen Inhaber gibt.

  • Personal ist ein Faktor im Wettbewerb

Fachkräftemangel wird in vielen Branchen beklagt. Größere Praxisbetriebe können möglicherweise mit Personalmanagement Mängel ausgleichen, attraktive Arbeitszeiten und Gehälter bieten. Junge Assistenzzahnärzte und – Zahnärztinnen sammeln Erfahrungen mit dem Personalmangel und werden bei der Niederlassung vorsichtiger, als es frühere Jahrgänge waren.

Gesetzliche Vorgaben

  • aus dem Arzthaftungsrecht, der Röntgenverordnung, dem Strahlenschutz, den Hygiene- und Medizinprodukte-Vorschriften und dem Datenschutz sind zu erfüllen, auch wenn kein Nachfolger die Praxis übernehmen will

Bei der Rückgabe der Kassenzulassung behält die KZV Honorare für erbrachte Leistungen zurück, denn es gibt Gewährleistungsansprüche der Patienten und Krankenkassen. Die Gewährleistungsansprüche beziehen sich in der Regel auf einen Zeitraum von zwei Jahren. Danach werden zurückgehaltene Honorare von der KZV ausgezahlt.

Patienten, die ihren Arzt wegen Mängeln und Fehlern verklagen wollen, müssen die Verjährungsfrist von 3 Jahren beachten. Diese für den Regelfall gesetzte Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Grundsätzlich ist dabei auch entscheidend, wann der Patient Kenntnis über den Fehler oder die Vermutung einer Fehldiagnose oder falschen Behandlung und den Verursacher erlangt hat.

 

Für möglicherweise auftretende Vorwürfe von Behandlungsfehlern und Fehlplanungen können daher Zahnärzte noch sehr viel länger verantwortlich gemacht werden. Schadensersatz-Forderungen und Schmerzensgeld können nur zurückgewiesen werden, wenn Zahnärzte über eine gute Dokumentation zu ihren Behandlungsfällen verfügen: Das heißt, dass alle Patientenakten, Befunde und Röntgenbilder zur Verfügung stehen. Zehn Jahre muss der Zahnarzt diese Dokumentation aufbewahren, bei Kindern und Jugendlichen sogar im Einzelfall länger (bis zum Erreichen der Volljährigkeit). Die Aufbewahrungs-Fristen zur Einhaltung der Hygiene-Regeln und Medizinprodukte- Verordnung sind kürzer – aber im Fall von Vorwürfen ist es besser und einfacher, wenn Nachweise dazu vorhanden sind. 

Für Behandlungsfehler kann ein Zahnarzt 30 Jahre verantwortlich gemacht werden. Allerdings verändert sich die Pflicht zur Beweiserbringung nach zehn Jahren. In den ersten zehn Jahren muss der Zahnarzt auf Vorwürfe Beweise zur Entlastung vorlegen, eben aus der Dokumentation. Ab dem elften Jahr entstehen dem Zahnarzt keine beweisrechtlichen Nachteile mehr, wenn er die Dokumentation nicht vorlegt, weil er nicht mehr verpflichtet ist, sie aufzubewahren. Insofern tritt ab dem elften Jahr der Praxisauflösung eine gewisse Erleichterung ein.

 

Statistisch und aus gesammelter Erfahrung ist zu bemerken, dass Anfragen von Patienten zu erfolgten Behandlungen, Diagnosen, verwendeten Materialien, Implantaten schon nach dem dritten Jahr abebben – aber es ist sehr zu empfehlen, trotzdem die gesetzlichen Fristen und Vorgaben einzuhalten.

Nachfolger gefunden? Übergabe der Patienten- und Praxisbetriebs-Dokumentation…

Mit einem Nachfolger ist ein Treuhandvertrag abzuschließen, der die Rechte und Pflichten von Treugeber und Treuhänder regelt. Im Treuhandvertrag sollten der wirtschaftliche Zweck, Beginn und Ende der Treuhandschaft die Aufgaben und Pflichten des Treuhänders, sowie das Weisungsrechte des Treugebers geregelt sein.

Der Nachfolger erhält das einfache Zugriffsrecht auf die Patientenkartei, die Dokumentation, muss aber die Verschwiegenheit und den Datenschutz garantieren. Der Abgeber behält das Zugriffsrecht – z.B. im Falle von Vorwürfen des Patienten.

 

Keinen Nachfolger gefunden?

Dann bleiben die gesamten Unterlagen und die Dokumentation in den Händen des Zahnarztes und er muss sie aufbewahren. Ob diese Unterlagen zu Hause oder in einen speziell angemieteten Lagerraum („selfstorage“) Platz finden, muss jeder selbst entscheiden.

In den ersten zwei Jahren ist damit zu rechnen, dass es häufiger Anfragen wegen Bonusheften, Röntgenaufnahmen, Materialen von Zahnersatz und Implantaten u.ä. gibt. Sicher kann man Kopien anfertigen und dafür Entschädigung verlangen, aber einfacher ist es, wenn man diese Anfragen einfach erledigt, statt sich in Auseinandersetzungen wegen der Bezahlung begibt. Das entstehende Porto und der Büroaufwand kann immerhin steuerlich abgesetzt werden.

Einfach verschwinden ohne Adressenangabe?

Keine gute Idee! Da die gesetzlichen Vorgaben und eine Auskunftspflicht bestehen, könnte der ehemalige Praxisinhaber für Pflichtverletzungen zur Kasse gebeten werden. Die Zahnärztekammer muss als Körperschaft öffentlichen Rechts ggf. der Polizei Auskunft geben, wohin der Zahnarzt sich abgemeldet hat (Wohnadresse). Und in ein Ausland zu verschwinden, wo deutsche Ermittler keinen Zugriff mehr haben: Ob das wirklich eine gute Option ist, nur weil man seine Patientenakten los werden will?

 

Pflicht zur Auskunft über Erreichbarkeit

Wenn die Praxis aufgelöst und geschlossen ist, wird die Erreichbarkeit bei Anfragen schwierig. Es kann nicht Aufgabe der Zahnärztekammer sein, Anfragen an die Privatadresse weiterzuleiten, dafür muss jeder ehemalige Praxisinhaber selbst sorgen.

Wie wäre die einfachste Lösung:

  • Die Checkliste der Zahnärztekammer für Praxis-Abgeber und –Auflöser zur Hand nehmen und die Hinweise berücksichtigen; es gibt doch eine Menge Formalitäten bei Körperschaften, Behörden, Versicherungen und Vertragspartner zu beachten!
  • Praxis-Telefonnummer mit nach Hause nehmen; die Telefonanbieter beraten zu den technischen Lösungen und den Kosten. In der Regel kann man die Telefonnummer „mitnehmen/ zum Hausanschluss hinzufügen“. Dann wird auf die Praxistelefonnummer ein Anrufbeantworter mit einer Hinweis-Ansage (ohne Möglichkeit des Hinterlassens einer Nachricht durch den Anrufer) geschaltet. Diese Hinweisansage informiert über das Ende der Praxistätigkeit, mögliche „Praxisvertretungen“ und wie der Anrufer den ehemaligen Praxisinhaber z.B.  wegen Anfragen zu Bonusheft-Eintragungen oder Röntgenbildern erreichen kann. Hier gibt es zwei Möglichkeiten:
  • Postfach für Briefe an die Praxis oder Nachsendeauftrag: Das wäre eine teure Lösung und man müsste die Post regelmäßig abholen oder nachsenden lassen. Ist nach persönlicher Erfahrung des Verfassers dieser Zeilen auch nicht nötig, wenn man eine Emailadresse bekannt macht (siehe weiter unten).
  • Emailadresse auf Anrufbeantworter angeben; nicht jeder Patient hat selbst eine Emailadresse, aber der Patient kann evtl. einen Verwandten beauftragen oder den „neuen“ Zahnarzt bitten, im Namen des Patienten Anfragen zu verschicken, denn eigentlich müsste jeder Zahn-Arzt heutzutage per Email kommunizieren können. Das Emailpostfach des Praxisaufgebers muss dann eben bequem von zu Hause überprüft und die Anfragen müssen bearbeitet werden.
  • Homepage: Eine einfache Homepage oder die ehemalige Praxishomepage in abgespeckter Form informiert darüber, seit wann die Praxis geschlossen ist und über welche Emailadresse Anfragen geschickt werden können. Achtung! Im Impressum muss ja der Betreiber der Homepage genannt werden. Da sollte lieber nicht die Wohnadresse des Zahnarztes genannt werden (es sei denn, man hat nichts gegen Besucher und Post dorthin), sondern eine c/o Adresse einer befreundeten Praxis/ Firma/ Steuerberater/ Anwaltskanzlei, die natürlich ihr Einverständnis dazu geben muss.

Fazit eines Betroffenen nach 5 Monaten Praxisschluss:

  1. Ein Arbeitszimmer zu Hause ist eine gute Sache, denn dort lagern in einem Karteikartenschrank die Patienten- und Personalakten, Hygiene- und Medizinprodukte-Unterlagen und steuerrelevante Ablagen (Betriebsprüfung nach Praxisschluss…; hoffentlich nicht).
  2. Der Praxis-PC, abgekoppelt vom Konnektor, erlaubt den schnellen Blick in die Patientendateien und vergangene Abrechnungen.
  3. Anrufbeantworter mit Hinweisansage und Homepage sorgen für Anfragen per Email, die ein- bis zweimal pro Woche in wenigen Minuten abgearbeitet werden können; Tendenz: abnehmend.
  4. Analoge Post und Werbung ist fast versiegt…
  5. Ich schätze, in zehn Jahren kommt nach einmal eine große Entschlackung, wenn Steuer-Unterlagen, Personalakten, Röntgenbilder und ggf. auch Patientenakten ordnungsgemäß vernichtet werden können.