HZB: Herr von Laffert, Frau Dr. Menzel, Frau Dr. Brehmer, Herr Dr. Thomas Clement: Ein Blick zurück: Die letzte Legislatur war von der Corona-Pandemie geprägt. Wie haben Sie diese Krise persönlich erlebt?
Konstantin von Laffert: Da es für mich die erste Pandemie war, kann man den Beginn getrost als maximal stressig bezeichnen. Es war ja zu Beginn überhaupt schwierig seriöse Informationen zu bekommen, die weder Panik verbreiten noch verharmlosen. Auf unsere regelmäßigen „Corona-Updates“ haben wir ein sehr gute Echo bekommen, das hat den Kolleginnen und Kollegen offenbar viel Halt und Sicherheit gegeben.
Zwei Dinge aus dieser Zeit kann die Hamburger Kammer auf jeden Fall als Erfolg verbuchen: Es wurde verhindert, dass im Lockdown alle Praxen geschlossen wurden, wie es einige wenige gefordert hatten. Der Satz „Es gibt nur eine Zahnmedizin“ war hier sehr wichtig. Denn wo fängt denn der Notfall an und wo hört er auf? Außerdem haben wir aktiv daran mitgewirkt, dass uns als einziger Berufsgruppe in diesem Land das Kurzarbeitergeld verweigert werden sollte. Das war eine unglaubliche Entgleisung einiger Politiker gegen uns.
Dr. Kathleen Menzel: Es war meine erste Legislatur und diese startete mit einer der größten Krisen unserer Zeit. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir, der Vorstand der Zahnärztekammer, uns zu Beginn der Coronapandemie zu einer außerordentlichen Krisensitzung an einem Sonntag trafen, um die ersten Schritte zu beraten. Die Coronapandemie war eine noch nie dagewesene Herausforderung, die es zu meistern galt. Es ging darum Patienten und Zahnärzte möglichst gut durch die Pandemie zu bringen. Wichtig war, neue Informationen und Kenntnisse auf kurzem Wege weiterzugeben. Glücklicherweise kamen relativ schnell die ersten Informationen aus China, dass unsere regulären Schutzmaßnahmen, die wir seit jeher gewohnt sind, sehr gut funktionieren. Nun galt es Praxisschließungen zu verhindern, die Versorgung aufrechtzuerhalten und Unterstützungen für Praxen zu sichern.
Dr. Maryla Brehmer: Aus anfänglicher Ungläubigkeit wurde nüchterner Pragmatismus. Privat hat das Schicksal mit Angehörigen im Pflegeheim hart zugeschlagen. In der Praxis haben wir uns recht schnell „sortiert“, denn Hygiene und Schutz sind für uns nicht neu.
Die Kammertätigkeit betreffend war Kreativität angesagt, insbesondere was die Durchführung der ZFA-Prüfungen unter Corona-Bedingungen anging. Das war eine enorme Herausforderung und eine wahnsinnige Verantwortung und Belastung.
Viele Sitzungen und Aktivitäten wurden online durchgeführt, einiges wurde natürlich ausgesetzt. Berufsmessen und die wichtigen persönlichen Kontakte fehlten immens.
Dr. Thomas Clement: Die Coronakrise hat das Leben der Menschen in vielerlei Hinsicht verändert. Die Menschen mussten sich an neue Rahmenbedingungen bei ihrer Berufsausübung, soziale Einschränkungen und gesundheitliche Risiken anpassen. Das berufspolitische Management dieser Krise gehörte wohl zu den größten Herausforderungen meiner Karriere. Trotz aller Schwierigkeiten habe ich auch positive Erfahrungen gemacht, wie zum Beispiel der intakte Teamgeist in meiner Praxis, mehr Zeit für mich selbst, neue Hobbys und die Wertschätzung der kleinen Dinge im Leben.
Dr. Jan Bregazzi: Die Corona-Krise hat die Praxen langfristig getroffen, da die Patienten Routine- und Vorsorge-Termine aus Unsicherheit abgesagt haben. So sind Umsatzeinbußen über etliche Monate, letztendlich über einen Zeitraum von zwei Jahren entstanden.
Die Kammer hat die Herausforderungen dieser Krise aus meiner Sicht sehr gut bewältigt. So wurden die Aufgaben im Bereich Röntgen, Gleichwertigkeitsprüfung und Fachsprachenprüfung mit entsprechenden Hygienekonzepten wahrgenommen.
Sie alle sind quasi einstimmig von den Delegierten im Februar 2023 im Amt bestätigt worden – Herr Dr. Bregazzi als neues Mitglied ebenfalls. Frau Dr. Menzel wurde sogar zur Vizepräsidentin gewählt. Was löst dieser Vertrauensbeweis jeweils bei Ihnen aus?
Konstantin von Laffert: Einerseits Demut und das Gefühl von ziemlich viel Verantwortung auf den Schultern, andererseits freue ich mich über diese hanseatischen Verhältnisse, die es wohl nirgendwo sonst in der Republik gibt. Ich bin allerdings auch ganz sicher, dass die Delegiertenversammlung der Kammer uns sehr klare Grenzen aufzeigen würde, wenn wir als Vorstand in die falsche Richtung marschieren würden und das ist auch gut so.
Dr. Kathleen Menzel: Ich freue mich sehr über das entgegengebrachte Vertrauen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ich bereits in meiner zweiten Legislatur als Vizepräsidentin gewählt worden bin. Dass wir so im Vorstand bestätigt worden sind, zeigt, wie gut wir als Team zusammenarbeiten. Ich freue mich auf die Herausforderungen und Möglichkeiten, die dieses Amt mit sich bringt, um das Beste für die Zahnärzteschaft und unsere Berufsausübung zu erreichen.
Dr. Thomas Clement: Ich bin überwältigt und fühle mich geehrt. Ich weiß, diese große Verantwortung zu schätzen und werde mein Bestes tun, um die Erwartungen zu erfüllen und meine Arbeit erfolgreich fortzuführen.
Dr. Maryla Brehmer: Mein Ressort ist bekanntermaßen recht friktionsreich und so bleibt es nicht aus, dass ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen nicht nur beliebt mache. Ich bin daher besonders froh, dass mein Engagement gesehen und gewürdigt wurde.
Dr. Jan Bregazzi: Während der letzten Legislaturperiode war ich nicht als Vorstandsmitglied tätig, habe aber die mir übertragenen Aufgaben allesamt weitergeführt. Insofern bin ich über das Vertrauen der Kollegenschaft und die Anerkennung meines Engagements besonders erfreut.
Was haben Sie im Einzelnen sich für die kommenden vier Jahre vorgenommen?
Konstantin von Laffert: Ich persönlich stecke neben allen anderen zahlreichen Themen gerade tief im Kampf mit der Politik um die Regulierung des Wildwuchses der Investoren-MVZ. Die Lobbyarbeit der Gegenseite ist momentan extrem stark, da heißt es weiter standhaft bleiben, wenn wir die ambulante Versorgung nicht brutal beschädigen wollen in den nächsten Jahren.
Darüber hinaus werde ich verstärkt mit konkreten Themen gegen weitere Bürokratie kämpfen- ob sie nun als TI daherkommt oder als Validier- und Begehungskontrollitis. Das Grundübel ist einfach das Misstrauen gegen Ärzte und Zahnärzte, das kann man nur mit Reden lösen.
Dr. Kathleen Menzel: Neben dem Thema der Fremdinvestorenproblematik werde ich mich auch intensiv um die Themen Freiberuflichkeit, Niederlassung, berufliche und berufspolitische Nachwuchsförderung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, berufliche Rahmenbedingungen kümmern und den Austausch innerhalb der Zahnärzteschaft fördern, sei es durch die Stammtische, Gründung neuer Qualitätszirkel und Foren zu speziellen Themen. Glücklicherweise können wir Veranstaltungen wieder ohne Einschränkungen durchführen.
In den nächsten Monaten sind beispielsweise Veranstaltungen zu den Themen Praxisführung, Existenzgründung, Qualitätszirkel und Vereinbarkeit von Praxis und Familie geplant.
Dr. Thomas Clement: Da der Verordnungsgeber nur derzeit wenig Motivation zeigt die 35 Jahre alte GOZ wirtschaftlich anzupassen, haben wir eine GOZ-Kampagne geplant. Die Kampagne wird die Kolleg*innen unterstützen, ideenreich und effektiv die Gestaltungsmöglichkeiten der GOZ in der eignen Praxis zu nutzen. Die Kolleg*innen werden hierbei auf ein umfassendes Informationsmaterial und Vortragskontingent zurückgreifen können. Ein weiteres Ziel der Kampagne ist es die Notwendigkeit der Anpassung der GOZ wirksam in die politische Öffentlichkeit zu transportieren.
Dr. Maryla Brehmer: Vieles. Ganz klar liegt der Fokus darauf, Mitarbeiter:innen zu finden und zu binden, von Auszubildenden bis zu Quereinsteigenden, für die wir Fortbildungen maßschneidern.
Ein weiteres Ziel ist das Vorantreiben der Digitalisierung in den Bereichen Ausbildungsverträge, E-Portfolio und Prüfgeschehen.
Dr. Jan Bregazzi: Bei den Röntgenkursen ist immer wieder die Verlängerung des Aktualisierungsintervalls von fünf auf zehn Jahre im Gespräch. Dieses Ziel werden wir weiter verfolgen. Zudem würden wir gern die Möglichkeit haben, die schon bewährten Onlinekurse neben den Präsenskursen anzubieten. Im Rahmen der Novellierung der Fachkunderichtlinie könnte die Möglichkeit hierfür geschaffen werden.
Direkt nach der Wahl haben Sie als wichtigste Arbeitsfelder den Fachkräftemangel und die fremdinvestoren-Problematik angeführt. Was werden Sie hier konkret unternehmen?
Konstantin von Laffert: Beim Personal haben wir natürlich nur begrenzt Einfluss, da hier auch die aus meiner Sicht schwierige Schulpolitik der letzten Jahrzehnte eine gewichtige Rolle spielt. Hier können wir allerdings im Bereich der Azubis eine Menge tun, was Dr. Brehmer schon wieder mit Volldampf angeht. Nicht umsonst hatten wir u. a. aufgrund ihrer Aktivitäten 2022 ein Rekordergebnis bei den Ausbildungsverträgen. Wenn diese Azubis nun auch alle durchhalten und im Beruf bleiben würden, wäre schon viel gewonnen, an den Rahmenbedingungen dafür arbeiten wir und die meisten Praxen intensiv.
Bei den Investoren sind wir seit Jahren sehr aktiv, es gab, glaube ich, seit einem Jahr keinen Tag, an dem ich dazu nicht etwas schreibe oder zu diesem Thema Gespräche führe. Denn es wird in den nächsten Monaten ein harter Kampf, die Investorenlobby schläft nicht und hat deutlich mehr Geld im Hintergrund als wir. Allerdings haben wir wichtige Player wie den Bundesgesundheitsminister, unsere Gesundheitssenatorin und den bayerischen Gesundheitsminister Holetschek auf unserer Seite. Das sind schon politische Schwergewichte, die gehört werden. Darauf hoffe ich zumindest, denn unsere Versorgung wird in 10-15 Jahren eine andere sein, wenn die In-
vestoren weiter ungestört ihre Einkaufstour betreiben.
Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend für die Zukunft der Hamburger Zahnärztinnen und Zahnärzte?
Konstantin von Laffert: Entscheidend wird sein, ob die Politik uns endlich zu schätzen lernt und aufhört uns als Polo-spielende Ferrarifahrer aus den 80ern zu sehen.
Die Praxen ächzen mehr denn je unter allen bekannten Belastungen: Verunsicherung im Konsumverhalten wegen des Ukrainekrieges, Corona, GOZ seit 35 Jahren unverändert im Punktwert, Inflationsfalle und Kostenexplosion, Bürokratie und explodierende Gehälter.
Aber mindestens genauso wichtig ist, dass wir den jungen Kolleginnen und Kollegen mitgeben, dass zwar einiges im Moment wirklich nervt, eine Anstellung im Private-Equity MVZ aber sicher nicht die Lösung dieser Probleme bringt. Eine bessere Work-Life-Balance als als niedergelassener Zahnarzt hat in meinem Freundeskreis, in dem sich viele Juristen und Betriebswirte tummeln, auf jeden Fall keiner.
Was stimmt Sie nachdenklich, wenn Sie an die kommenden vier Jahre und die Zukunft der Hamburger Zahnärztinnen und Zahnärzte denken?
Konstantin von Laffert: Leider hat Herr Prof. Lauterbach immer nur die stationäre, kaum aber die ambulante Versorgung im Auge. Während die Krankenhäuser milliardenschwere Heizzuschüsse bekommen, wird bei uns die über fast ein Jahrzehnt mühsam konsentierte neue PA-Strecke mal eben ins Budget gezwängt. Dabei sind die gut untersuchten Zusammenhänge mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sonnenklar und würden langfristig die Krankenhäuser natürlich entlasten, wenn die moderne PA Therapie vorankäme. Aber diese Chance nach ein paar Monaten abzuwürgen, war brutale Kostendämpfung auf Kosten der Patienten.
Die Praxen werden immer mehr finanziell und bürokratisch belastet, während die Krankenhäuser offenbar das Lieblingskind des Ministers sind. Da muss viel mehr Engagement für die ambulante (Zahn-)Medizin her, denn wir sind niederschwellig, wohnortnah und effizient! Damit halten wir den ohnehin überlasteten Krankenhäusern den Rücken frei. Das kapiert die Politik hoffentlich nicht erst, wenn die ambulante Versorgung kaputtgespart wurde und nur noch Renditejäger zahnmedizinisch überversorgen, was das System finanziell an seine Grenzen bringen wird.
Was macht Sie zuversichtlich, wenn Sie an die kommenden vier Jahre und die Zukunft der Hamburger Zahnärztinnen und Zahnärzte denken?
Konstantin von Laffert: Positiv stimmt mich immer das unglaubliche Engagement und die Kreativität der Praxen, mit der sie trotz aller Stöcke, die uns zwischen die Beine geworfen werden, gemeinsam mit ihren Teams die Versorgung qualitativ hervorragend hinbekommen. Meinen grundsätzlichen Optimismus lasse ich mir da auch nicht nehmen!
Zum Abschluss: Wie geht es Ihrer Ansicht nach in Ihrem jeweils wichtigsten Handlungsfeld weiter?
Konstantin von Laffert: Beim Thema Investoren steht es Spitz auf Knopf - alles ist möglich. Aber auch da bin ich Optimist und hoffe auf die Politik, die hoffentlich nicht eines der besten zahnmedizinischen Versorgungssysteme der Welt systematisch kaputt machen möchte.
Dr. Kathleen Menzel: Eines der wichtigsten Handlungsfelder ist, dass wir unsere Freiberuflichkeit erhalten und unseren Beruf selbstständig und selbstbestimmt ausführen können. Dabei ist natürlich auch die Niederlassung ein essentielles Thema und ich kann sagen, dass auch unser beruflicher Nachwuchs weiterhin sehr daran interessiert ist ihn frei, ohne Therapievorgaben und in eigener Praxis auszuüben.
Dr. Maryla Brehmer: Es gibt Entwicklungen und Rahmenbedingungen, die wir schwer oder gar nicht beeinflussen können. Umso wichtiger ist es, beharrlich gute Sacharbeit zu leisten, und dazu gehört ganz klar die Bewerbung des ZFA-Berufsbildes, um qualifizierten ZFA-Nachwuchs zu finden.
Dr. Thomas Clement: Die nicht angepasste GOZ gefährdet zunehmend das wirtschaftliche Arbeiten in den Praxen. Wir wollen mit der geplanten GOZ-Kampagne diesem Umstand vehement entgegenwirken. Eine erfolgreiche Kampagne zeichnet sich durch drei wesentliche Merkmale aus: Relevanz, Kreativität und Wirkung. Relevanz bedeutet hier, dass wir die Kolleg*innen befähigen werden durch Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten in der aktuellen GOZ adäquate Honorare zu erzielen. Kreativität heißt, durch die Möglichkeit der Analogberechnung die GOZ z. T. selbst zu „novellieren“. Wirksamkeit bedeutet, die politische Lobby-Arbeit fortzusetzen, Verbündete zu suchen, den Rechtsweg zu prüfen und ggfs. zu gehen, um letztendlich den Verordnungsgeber zur notwendigen Anpassung zu bewegen.
Dr. Jan Bregazzi: Die Aufgaben der Zahnärztlichen Stellen und der Referenten für das Röntgen werden auch weiter darin bestehen, ausufernde Bürokratie und unnötige Belastungen für die Zahnärzteschaft zu verhindern. Durch die neue Strahlenschutzverordnung wurde beispielsweise die Aufbewahrungsfrist für Konstanzaufnahmen auf 10 Jahre ausgeweitet. In der Diskussion um den Abbau der Bürokratie zeichnet sich nun ab, dass dieser Zeitraum auf 5 Jahre verkürzt werden könnte.