Mit gleich zwei neuen Ansätzen wartete das Planspiel Praxisgründung auf und begeisterte die Teilnehmer. Das innovative Konzept wurde von drei Kolleginnen aus drei Bundesländern sowie einer aus der Bundeszahnärztekammer entwickelt. Dr. Kathleen Menzel, Vizepräsidentin der Kammer Hamburg, Dr. Claudia Stange, Vorstandsmitglied in Schleswig-Holstein, Dr. Romana Krapf, Vorstandsmitglied des ZBV Schwaben, und Dr. Juliane Gösling von der Bundeszahnärztekammer hatten die Idee und setzen sie auch selbst um.
Neu: aktives Mitwirken
Was ist das Neue an dem Planspiel? Anders als bei
sonstigen Seminaren zur Gründung, bei den die Teilnehmer Vorträge hören und allenfalls Fragen stellen können, ging es hier darum, sich nach einem kurzen Vortrag selbst einzubringen und gemeinsam mit Kollegen Aufgaben zu lösen und Themen zu bearbeiten. Dies führte schnell zu einer lockeren Atmosphäre und einem intensiven Austausch und zur aktiven Auseinandersetzung mit der Niederlassung.
Die Veranstaltung fand in der Hamburger Filiale der apoBank statt, da dort mit einem Vortragsraum und Beratungszimmern für die Gruppenarbeit ideale Bedingungen vorhanden waren.
In ihrer Begrüßung betonten die drei Initiatorinnen Dr. Menzel, Dr. Stange und Dr. Gösling, dass das Ziel des Planspiels sei, die Niederlassung greifbar werden zu lassen, Mut zu machen, denn auch heutzutage ist das gut möglich und sinnvoll.
Gründe für die Selbstständigkeit
Als Gründe für die Selbstständigkeit nannten sie die Unabhängigkeit, die eigene Entscheidung über die Ausrichtung und die Schwerpunkte der Praxis, Finanzen und Sicherheit und die Möglichkeit, selbst über seine Zeit zu verfügen.
So wie Praxisabgeber äußern, dass es schwierig ist, einen Übernehmer zu finden, finden es Gründer schwierig, eine Praxis zu finden, denn sie muss zum Gründer passen. Dies fängt beim Standort an, geht über die Größe, die Anzahl der Behandlungszimmer, das Praxiskonzept bis hin zur Patientenklientel.
Die Entscheidung für eine Praxis ist eine Entscheidung für die Zukunft. Dr. Menzel und Dr. Stange machten deutlich, dass man sich über den Standort und die Frage, ob Einzelpraxis oder Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) grundlegend Gedanken machen muss. Bei der Möglichkeit, bis zu drei angestellte Zahnärzte zu beschäftigen, kann der häufig gewünschte kollegiale Austausch und ggf. auch die Verteilung von Aufgaben auch gut in einer Einzelpraxis stattfinden. Entscheidet man sich für eine BAG, ist es wichtig, vorab zu klären, ob Ziele und Ansichten aller Beteiligten übereinstimmen.
Sorgfältig ausgewählt werden sollten die langfristigen Berater wie Rechtsanwalt, Steuerberater und Bank, die man für die Selbstständigkeit braucht und die einen im Idealfall ein ganzes Berufsleben begleiten, so die Referentinnen.
Dann ging es das erste Mal an die Gruppenarbeit. Die Aufgabe bestand darin, anhand einer Checkliste Standortsuche für sich herauszufinden, wo man die für sich passende Praxis finden kann und was dabei zu beachten ist.
Keine Praxis ohne Nutzungsgenehmigung
Im zweiten Vortrag ging es dann um die Praxisräume. Kammergeschäftsführer Dr. Peter Kurz stellte vor, was man beim Anmieten oder der Übernahme einer Praxisfläche beachten muss. Grundlegende Voraussetzung ist, dass überhaupt eine Genehmigung für die Nutzung als Zahnarztpraxis vorliegt und die Räumlichkeiten zu den eigenen Vorstellungen passen. Der Bestandsschutz bezieht sich auf die Räume und nicht auf den Mieter, kann also übernommen werden, wenn man keine umfangreichen Umbauten vornimmt. Damit treffen einen insbesondere Vorgaben zur Barrierearmut weniger als bei einem Neubau. Die anschließende Aufgabe bestand darin, eine Praxis mit den verschiedenen erforderlichen Räumen zu zeichnen und dabei die Räume einander sinnvoll zuzuordnen.
Verträge
Dann wurde es juristisch. Dr. Katja Paps, selbstständige Fachanwältin für Medizinrecht und Justitiarin der Kammer Hamburg, zeigte auf, in welchen Situationen eine rechtliche Beratung und Unterstützung sinnvoll ist. Für Gründer besonders wichtig ist der Vertrag über eine Praxisübernahme bzw. die Verträge bei einer Neugründung. Arbeitsrecht ist auch ein wichtiges Thema für die Praxis. Dr. Paps erläuterte exemplarisch die Vorgaben für Kündigung, Zugang und Freistellung. Weiter sollte der Anwalt eingeschaltet werden, wenn Patienten Behandlungsfehler geltend machen und Schadenersatz und gegebenenfalls Schmerzensgeld verlangen. Anwälte haben wie Zahnärzte eine gesetzliche Gebührenordnung, daneben besteht aber auch die Möglichkeit, eine Honorarvereinbarung oder eine Pauschalvereinbarung zu treffen. Auch einer juristischen Aufgabe mussten sich die Teilnehmer stellen: Es galt eine Kündigung sowie eine Freistellungsvereinbarung zu formulieren.
Nach so viel geballter Information klang der Abend bei einem Get together mit Speisen, Getränken, Musik, vielen interessanten Gesprächen und der Freude auf das Wiedersehen am folgenden Morgen aus.
Was tut der Steuerberater für mich?
Weiter ging es mit dem Steuerberater Jens Witte, der informierte, welche Aufgaben ein Steuerberater für den Praxisinhaber erfüllt. Das sind zunächst einmal laufende Arbeiten wie Gehaltsabrechnungen, Buchungen, das Erstellen einer BWA und die Überwachung der Kostenstruktur, die Abgabe der Steuererklärung und die Erstellung des Jahresabschlusses. Daneben bietet der Steuerberater die Beratung seiner Mandanten an, insbesondere bei der Gründung, aber auch im laufenden Praxisbetrieb, zum Beispiel bei der wirtschaftlichen und steuerlichen Sicht bei der Anschaffung von Geräten, sowie bei der Altersvorsorge. Auch hier gab es eine spannende Aufgabe. Den Gruppen wurden 2 BWAs ausgehändigt und die Aufgabe bestand darin, die Unterschiede herauszufinden und zu erklären, woraus diese resultieren.
Praxisfinanzierung
Die Mitarbeiter der apoBank Leona Neddermeyer und Maik Patzer hatten in den eigenen Räumlichkeiten ein Heimspiel. Sie informierten über Formen der Praxisfinanzierung, welche Unterlagen für eine Gründung beigebracht werden müssen und wie die Bank berät. Um festzustellen, ob die Gründung tragfähig ist, steht eine Investitions- und Kostenplanung zur Verfügung. Zudem kann man Zahlen der ausgewählten Praxis mit dem Durchschnitt der anderen vergleichen und so feststellen, wo sie steht. Auch hier gab es eine Aufgabe: Anhand von Fakten einer fiktiven Praxis mussten die Gruppen den Investitions- und den Veränderungsbedarf feststellen und kritische Aspekte erkennen.
Keine Praxis ohne Mitarbeiter
Dr. Maryla Brehmer, Vorstandsmitglied der Kammer Hamburg, zeigte auf, wie es auch in diesen schwierigen Zeiten möglich ist, Mitarbeiter zu finden und an die Praxis zu binden. Um das aktive Suchen kommt man nicht herum und muss sich etwas einfallen lassen, wie man die jungen Auszubildenden für die Praxis interessiert und ausgelernte Mitarbeiter findet. Es folgt der Onboardingprozess, um das neue Mitglied in das Team zu integrieren. Dabei ist es wichtig, eine positive Bindung und ein Zugehörigkeitsgefühl herzustellen und eine emotionale und rationale Bindung aufzubauen. Die anschließenden Aufgaben bestanden darin, Ideen zu der Onboardingphase zu sammeln, eine Stellenanzeige für eine Auszubildende und eine für eine ZMP zu formulieren und sich Gedanken über Instrumente der Mitarbeiterbindung zu machen.
Vorschriften über Vorschriften
Dr. Kai Voss, Vizepräsident der Kammer Schleswig-Holstein, gab den Teilnehmern gleich zu Beginn die Möglichkeit, in einem Selbsttest festzustellen, wie sattelfest sie im Bereich der Vorschriften zum Medizinprodukterecht sind. Nicht nur der junge Zahnarzt sieht vor lauter Vorschriften gar keine Struktur mehr. Dr. Voss erläuterte anhand des Strahlenschutzes und des Medizinprodukterechts die Normenpyramide dieser Vorschriften. Er erläuterte den Prüfauftrag bei den verschiedenen Begehungen nach Medizinproduktegesetz, Infektionsschutzgesetz und durch staatliche Arbeitsschutzbehörden. Praxen haben insbesondere die Sorge, auf Begehungen nicht vorbereitet zu sein. Er wies darauf hin, dass man gute Hilfestellung zunächst durch das Zahnärztliche Qualitätsmanagementsystem ZQMS und ergänzend durch die Mitarbeiter in der Kammer bekommt.
Vereinbarkeit Familie und Beruf
Das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf kam erwartungsgemäß schon bei verschiedenen Vorträgen wie bei den Gesprächen in den Pausen zur Sprache. Dr. Claudia Stange stellte anhand ihres eigenen Werdegangs dar, wie sie persönlich die Vereinbarkeit erreicht hatte. Die Schwangerschaft als Selbstständige ohne Beschäftigungsverbot sei für sie kein Problem gewesen. Sie habe bis kurz vor der Geburt arbeiten können. Zudem könne man sich auf die Situation vorbereiten und rechtzeitig eine Vertretung, einen Entlastungsassistenten oder einen angestellten Zahnarzt einstellen.
Marketing und Social Media
Abschließend stellten Natascha Hennings und Kai Schierhorn das Thema Praxis-Marketing und Social Media vor. Sie erläuterten, wie erfolgreiches Marketing funktioniert und welche Erfolge es hat. Wichtig sei, zu zeigen, was man könne, was einen ausmacht, welche Behandlungen und Serviceleistungen man anbiete und ggf., welche Alleinstellungsmerkmale man habe. Sodann gelte es CI, Logo und Marke zu entwickeln, sowohl für Papier online. Dort sollten die wichtigsten Informationen auf der ersten Seite stehen. Man solle ein System wählen, bei dem man selbst Inhalte verändern könne. Wichtig sei es, die Seite mit Texten, Technik und Bildern so aufzubauen, dass sie suchmaschinenoptimiert seien, um gut gefunden zu werden. Die Gruppenarbeit war digital. Es galt bei einer Homepage Überschriften und Inhalte so zu formulieren, dass sie bestmöglich von den Suchmaschinen gefunden wird.
Positives Feedback
Die Bewertungen der Teilnehmer zeigten, dass dieses neue Format sehr gut ankam. Insbesondere der kollegiale Austausch und die gemeinsame Erarbeitung mit Kollegen in lockerer Atmosphäre wurden gelobt. In Qualitätszirkeln können die Schritte in die Selbstständigkeit weiter gemeinsam gegangen werden.
Zitate
„Ich habe jetzt richtig Lust auf Gründung. Durch die lockere Atmosphäre hat man sich getraut, Fragen zu stellen.“
Anita Heimler (Teilnehmerin)
„Beim Planspiel habe ich viel gelernt. Besonders gefallen hat mir der kollegiale Austausch. Toll war es, mit Kollegen gemeinsam Aufgaben zu lösen und Vorschläge zu erarbeiten.“
Amelie Triebel (Teilnehmerin)
„Das Konzept war richtig gut. Dieses Veranstaltungsformat sollte weitergeführt werden.“
Carlin-Maria Schött (Teilnehmerin)
„Ich finde die Idee, einen Qualitätszirkel zu gründen, um den Kontakt zu den Kollegen, die man kennengelernt hat und die sich auch selbstständig machen wollen, toll.“
Livia Vollmar (Teilnehmerin)
„Nachdem ich bei dem Planspiel so viele wichtige Informationen erhalten habe, habe ich richtig Lust zum Gründen bekommen und würde mich am liebsten gleich morgen selbstständig machen. Jetzt fehlt mir nur noch die passende Praxis.“
(Teilnehmer)