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Information der Zahnärztekammer und der KZV Hamburg

Auf den Punkt: Countdown der TOP 10 des Bürokratiewahnsinns in der Zahnarztpraxis

Liebe Aufsichtsbehörden, liebes RKI, liebes BfArm,

wir behandeln täglich in unseren Praxen zahllose Patientinnen und Patienten mit kleinen und großen Problemen. Dabei engagieren wir uns für die Prophylaxe und die Zahnerhaltung, nehmen den Menschen kleine und große Ängste und finden leider immer weniger Personal für diese nicht immer leichte, aber sehr befriedigende Aufgabe.

In Zeiten des Personalmangels in den Praxen sind die Mitarbeiterinnen, die täglich die Versorgung sichern, durch unzählige Vorschriften und Gesetze gebunden, die im Alltag Stress, Unzufriedenheit mit dem Beruf und manchmal sogar Wut erzeugen. Wir bitten Sie daher, mit unserer „Top 10 des Bürokratiewahnsinns“ um ECHTEN Bürokratieabbau – der zwar bei der Politik als Wahlkampfschlager in aller Munde, bei uns in den Praxen aber leider nicht spürbar ist. Ganz im Gegenteil: Wir leiden unter massivem BürokratieAUFBAU. Wenn nichts passiert, wird die Patientenversorgung aus diesem Grunde irgendwann nicht mehr funktionieren und nur noch zentral gesteuerte renditeorientierte Investoren werden die Zahnmedizin zur Vermehrung ihres Kapitals nutzen. Eine solche Zahnmedizin wollen wir nicht!

Im Einzelnen sind es diese Themen, die uns Zeit, Kraft und Energie kosten, die wir besser in die Mundgesundheit unserer Patientinnen und Patienten investieren würden:

10. Fangen wir einmal klein an: Röntgenaufnahmen von Minderjährigen muss man grundsätzlich bis zum 28. Lebensjahr der meist kleinen Patienten aufbewahren. Das ergibt wenig Sinn, denn mit 28 sind in den wenigsten Fällen noch Milchzähne aus der Kindheit vorhanden. Auch wenn diese Bilder in Zeiten von digitalem Röntgen maximal unsere Festplatten verstopfen: Diese Regelung sollte einfach abgeschafft werden zugunsten der üblichen 10 Jahre.

9. Auch Europa kann Bürokratie: Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit einer jeden Arbeitnehmerin bzw. eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann. Als Reaktion darauf sollen die Praxen verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit von jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin elektronisch zu erfassen. Vor allem für kleinere Praxen ist das meist teuer und unnötig. Ohne Ausnahmeregelungen für kleine Unternehmen oder für Modelle der modernen Arbeitswelt, wie z. B. freiwillige Vertrauensarbeitszeitmodelle, erzeugt der EuGH bloße Bürokratie ohne jeden Mehrwert.

8. In der gerade verabschiedeten neuen Medizinproduktebetreiberverordnung werden neue Betreiberpflichten eingeführt, nach denen Softwareprodukte nur nach einer durchgeführten Prüfung der Installation und einer speziellen Einweisung betrieben und angewendet werden dürfen. Auch diese kleine Verschärfung wird uns Zeit und Energie kosten.
Bisher gab es in diesem Bereich keinerlei Probleme – offensichtlich zielt auch diese Vorschrift mal wieder auf die Krankenhäuser mit ihren komplexen OP-Robotern etc. Für die Zahnarztpraxis ist das ausschließlich belastend.

7. Ebenfalls im Entwurf der gleichen Verordnung: Personen, die beabsichtigen, künftig Medizinprodukte aufzubereiten, haben dies der zuständigen Behörde vor Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen und auf Verlangen der zuständigen Behörde nachzuweisen, dass sie die „Voraussetzungen nach Absatz 1“ erfüllen. Glücklicherweise wurde diese vollkommen überflüssige Vorschrift nach zahlreichen Protesten auch von unserer Seite wieder aus der Verordnung entfernt. Ein solches Datengrab, dessen Verwaltung sicherlich in jeder Behörde ein bis zwei Planstellen verlangt, braucht zumindest im Bereich der Zahnmedizin niemand. Wir hoffen, die Gerüchte, dieses „Melderegister für Aufbereitende“ solle später doch noch Gesetzeskraft erlangen, bewahrheiten sich nicht.

6. Das Bestandsverzeichnis aller nicht implantierbaren Medizinprodukte in Ihrer Praxis. Eine Auflage, die offenbar für große Strukturen wie Krankenhäuser gemacht wurde. Was aber in einem Krankenhaus vielleicht Sinn ergibt, wenn man den OP-Roboter im Keller von Gebäude 11 wiederfinden möchte, ist in der übersichtlichen Struktur einer Zahnarztpraxis bis auf wenige Ausnahmen eher sinnlos. Bitte einfach abschaffen!

5. In der Novelle der neuen Medizinproduktebetreiberverordnung wird ein „Beauftragter für Medizinprodukte“ bei mehr als 20 Angestellten gefordert. Auch dieser vor wenigen Wochen im Bundesrat von den offenbar nicht besonders gut beratenen Fachministerinnen und -ministern beschlossene weitere BürokratieAUFBAU geht uns auf die Nerven und hat keinerlei positive Auswirkung auf die Versorgung. Auch hier gilt: Es mag sein, dass so etwas in einem Krankenhaus mit einigen Hundert oder gar Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sinn ergibt. Bei uns ist es ein Papiertiger, der unserem bereits jetzt überforderten Personal weitere Auflagen zumutet.

4. Ein Evergreen, bei dem viele sich jedes Mal wieder fragen: Warum nur? Zehntausende Mitarbeiterinnen und Kollegen pilgern ziemlich klimaschädlich alle 5 Jahre zur Verlängerung ihrer Röntgen-Fachkunde durch die Republik. Ob dadurch auch nur ein einziges Röntgenbild besser wird, wagen wir zu bezweifeln, auch wenn wir dort aufopferungsvolle Referenten haben, die diese Pflichtveranstaltung immer wieder toll gestalten. Dennoch: Warum wird dieser Teil unseres Staatsexamens alle 5 Jahre neu zur Disposition gestellt? Muss ich irgendwann auch alle 5 Jahre einen Zahn unter Aufsicht ziehen, um zu sehen, ob ich das kann? Zumindest eine Verlängerung auf 10 Jahre wäre doch mal ein erster Fortschritt, lieber Gesetzgeber!

3. Auch dieses bürokratische Folterinstrument ist altbekannt: Die Ablehnung der „Tagesabschlussdokumentation“ in den meisten Bundesländern. Warum ist es denn so schwierig, statt nach jedem Durchgang des Autoklaven eine Unterschrift zu leisten, dass der Prozess fehlerfrei verlief, diese Dokumentation am Ende des Tages durchzuführen? Spart bei uns einfach viel Zeit und Womanpower. Was dabei schwierig oder gefährdend für Patientinnen und Patienten sein soll, bleibt uns schleierhaft.

2. Durch die Pflicht zur Validierung der Hygienegeräte in den Zahnarztpraxen nach § 8 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) sind Zahnarztpraxen verpflichtet, die Prozesse der Hygienegeräte wie des Sterilisators und des Reinigungs- und Desinfektionsgeräts (RDG) regelmäßig zu validieren. Grundsätzlich gilt, dass die Zahnarztpraxen neue Sterilisations- und Reinigungsgeräte nach der Inbetriebnahme validieren lassen müssen (nur zum Vergleich: Das ist so, als müssten wir mit jedem fabrikneuen Auto erst mal zum TÜV, um zu prüfen, ob es funktioniert). Die nächste Validierung steht dann bei Reinigungs- und Desinfektionsprozessen in der Regel jährlich, bei Sterilisationsprozessen in der Regel alle zwei Jahre oder nach 4000 Chargen beziehungsweise nach Angabe im Validierungsbericht an.

Validierte Verfahren zur Aufbereitung von Medizinprodukten wurden in den Krankenhäusern eingeführt, da die dort verwendeten Großgeräte auf die Anforderungen des Krankenhauses konzipiert und erst vor Ort zusammengebaut wurden. In der Folge mussten diese im Rahmen einer Erstvalidierung ihre Funktionstüchtigkeit mit den Betriebsmitteln des Krankenhauses (Betriebswasser, Verpackung etc.) beweisen. Die Vielfalt an Instrumenten im Krankenhaus und deren Anforderungen an die Aufbereitung unterscheidet sich allerdings wesentlich von den Anforderungen einer Zahnarztpraxis. Das Patientenklientel, die Art der Eingriffe und das überschaubare Instrumentenspektrum bedingen ein signifikant geringeres Risiko für die Übertragung schwerwiegender nosokomialer Infektionen in Zahnarztpraxen als in Krankenhäusern. Der Umfang von Prozessvalidierungen kann nach individueller Risikoanalyse unter Berücksichtigung gerätespezifischer Prozessbeurteilungssysteme ohne einen Verlust an Sicherheit reduziert werden. Für Validierungsintervalle ist ein Festhalten an starren Fristen fachlich daher nicht geboten. 
Wir schlagen vor, anstelle eines Festhaltens an starren Fristen bundesweit die Durchführung von Validierungen mit risikoadjustiertem Umfang und Intervallen zu ermöglichen, wie es in einigen Bundesländern schon möglich ist.

1. Immer noch der ungeschlagene Spitzenreiter: Das von den Aufsichtsbehörden angedachte Verbot der „abschließenden Wischdesinfektion“ von semikritischen Medizinprodukten! Hier wiehert der Amtsschimmel lauter denn je, denn ein völlig unproblematisches Verfahren, das seit Menschengedenken problemlos durchgeführt wird, wird wegen des „nicht messbaren Anpressdruckes“ plötzlich für unzulässig erklärt. Momentan muss sich tatsächlich eine Gruppe gestandener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Erstellung eine Leitlinie zu diesem Thema befassen – ihnen gilt unser Dank und Mitgefühl! Dieser Aufwand ist kaum zu glauben, da es bis heute keinen einzigen nachgewiesenen Fall einer Infektion nach mangelhafter Wischdesinfektion gibt. Bitte stoppen Sie, liebe Aufsichtsbehörden, RKI und BfArm, diesen völlig aus der Luft gegriffenen bürokratischen Supergau!
Und bitte, liebe Behörden: Erklären Sie uns jetzt nicht, in welchen Vorschriften das alles zu finden ist – wir wissen es! Ändern Sie einfach mal was daran – im Interesse unserer Mitarbeiterinnen und unserer Patientinnen und Patienten!

Mit freundlichen Grüßen

Konstantin von Laffert 
Präsident der Zahnärztekammer Hamburg / Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer