Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation für die Praxen – steigende Ausgaben bei unveränderten Honoraren – hat die Kammer selbst wie auch gemeinsam mit der apoBank bereits verschiedene betriebswirtschaftliche Seminare angeboten. Dieses neu entwickelte Seminar ging neben der Betriebswirtschaft auch auf die Abrechnung nach GOZ ein.
Kammervizepräsidentin Dr. Kathleen Menzel führte in ihrer Begrüßung aus, dass die Vorträge ähnlich wie die Anamnese, Diagnose und Therapie in der Praxis aufgebaut seien. Im ersten Teil gehe es darum, zu erkennen, wo die Praxis stehe bzw. wie man dies feststellen könne. Im zweiten Teil erfahre man, welche Berechnungsmöglichkeiten in der GOZ bestehen, die man möglicherweise bislang noch nicht genutzt habe.
BWA – wichtigstes Controllinginstrument
Erste Referentin war Dipl.-Betriebswirtin Sandra Hoffmann, die seit 25 Jahren Steuerberaterin ist und ausschließlich Zahnarztpraxen betreut. Ihr Eingangsstatement, dass nach ihrer Kenntnis etwa 30 % der Praxen Liquiditätsprobleme haben, rüttelte auf. Ebenso die Aussage, dass viele Praxisinhaber ihre BWA nicht kennen. Damit haben sie keine Möglichkeit, aus der BWA herauszulesen, wo die Praxis steht, wo es Probleme gibt und an welchen Stellen Potenziale erkennbar sind.
Was kann man aus der BWA herauslesen? Wichtige Kennzahlen wie die Differenzierung der Einnahmen nach Kassen- und Privatleistungen, den Anteil der Selbstzahlerleistungen, den Umsatz und die Kosten, aufgeteilt nach Bereichen und zueinander in Bezug gesetzt, sowie die Entwicklung dieser Zahlen über die letzten Jahre.
Sie machte auch deutlich, dass es Fälle gibt, in denen die BWA nicht den wirklichen finanziellen Zustand der Praxis zeigt. Das ist etwa der Fall, wenn größere Forderungen wie vom Fremdlabor noch nicht bezahlt sind und man auf dem Papier besser dasteht als in Wirklichkeit.
Steuerrücklagenberechnung
Die Referentin zeigte weiter auf, dass Liquiditätsprobleme häufig aus Steuerforderungen des Finanzamts herrühren. Aus Sicht der Betroffenen kommen sie häufig unerwartet, tatsächlich sind sie aber absehbar. Das Problem ist, dass dann eine Forderung nicht nur für ein Jahr, sondern gleich für mehrere Jahre anfällt. Wenn z. B. das Jahr 2022 besser als das Jahr 2021 gelaufen ist, kommt das Finanzamt 2024 auf die Praxis zu. Es fordert dann z. B. für 2022 20 % mehr Steuern, setzt diesen Betrag aber auch für 2023 und als Vorauszahlung für 2024 an. Auf diese Weise kommen schnell Beträge zusammen, die ohne entsprechende Rücklagen problematisch werden können. Da sich aus der BWA ergibt, dass das Jahr gut war, ist es dann wichtig, sofort Rücklagen zu bilden und die Höhe mit dem Steuerberater abzustimmen.
Wann besteht Handlungsbedarf?
Handlungsbedarf erkennt man, wenn man eine Ist-Analyse durchführt und so erkennt, wo man steht. Dem sollte eine Analyse über das Potenzial der Praxis folgen. Sandra Hofmann nannte 3 Kriterien, bei denen sie Handlungsbedarf sieht. Liegen der Umsatz unter 400.000 €, der Privatanteil unter 50 % und die Umsatzrendite unter 30 %, besteht Handlungsbedarf. Die Ausgaben sind kaum zu beeinflussen. Den größten Anteil mit ca. 40 % machen die Personalausgaben aus, die derzeit eher steigen als sinken. Auch die Mieten und Materialkosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Wichtig ist es daher, Umsatzpotenziale wie zum Beispiel über den Ausbau der Prophylaxe, für die Patienten aufgeschlossen sind, aber noch nicht angesprochen wurden, zu entdecken.
Wie hoch liegt mein Stundensatz?
Dipl.-Betriebswirt Francesco Tafuro, seit 30 Jahren Berater für Zahnärzte und Ärzte zeigte auf, wie schon zuvor Sandra Hofmann, dass es wichtig ist, zu wissen, wie viel Umsatz die Praxis erwirtschaften muss, um ihre Kosten decken zu können.
Am besten ist es, die Situation individuell anhand seiner Praxiszahlen zu berechnen. Wer das nicht kann, kann immerhin einen Anhaltspunkt bekommen, indem man allgemeine Kennzahlen, wie sie z. B. im Statistischen Jahrbuch der KZBV aufgeführt sind, heranzieht. Liegen die Praxiskosten – einschließlich Unternehmerlohn und abzüglich Fremdlabor – z. B. bei 505.000 €, ist dieser Betrag durch die Arbeitsstunden zu dividieren. Dabei zählen nur die effektiven Behandlungsstunden, nicht aber die Zeiten für Verwaltung, Personalgespräche etc. Es ergibt sich bei 1.365 Behandlungsstunden im Jahr ein Betrag von 370 € in der Stunde. Dieser setzt allerdings ideale Bedingungen voraus und berücksichtigt nicht etwaige Risiken wie Praxisausfall durch Schäden an Praxisräumen, Instrumenten, Krankheit des Praxisinhabers etc. Daher geht man von einem Wagnisaufschlag von 20 % aus.
Handlungsoptionen
Francesco Tafuro zeigte auf, was Praxisinhaber tun können, wenn sie Handlungsbedarf erkennen. Wichtig ist es zunächst, das Team einzubinden und mit ihm zu beraten, welche Überlegungen es selbst hat. Das Team sollte nicht nur bei den Überlegungen, sondern auch bei der Umsetzung eingebunden werden.
So kann beispielsweise mit dem Team beraten werden, welche Leistungen aktiv angeboten werden sollen, wie zum Beispiel vermehrt PZR oder Bleaching. Angeboten werden sollten aber nur Leistungen, hinter denen die Praxis steht. Tafuro sieht das wichtigste Potenzial der Praxis in dem nicht angesprochenen Patienten. Seine Erfahrung aus der Beratung zahlreicher Praxen sei, dass Patienten häufig interessiert sind, Leistungen zu erhalten, die Praxen sie hierüber aber nicht informieren.
Ebenfalls wichtig und häufig nicht genutzt ist das Nachfassen, wenn Heil- und Kostenpläne aufwendig geschrieben werden und der Patient sich nicht meldet. Vielleicht gibt es Gründe, dass die Praxis bei der Korrespondenz mit der Krankenkasse unterstützen kann oder aber der Patient muss einfach nur erinnert werden. Der Patient soll sich dabei nicht unter Druck gesetzt, sondern von der Praxis unterstützt fühlen.
Umsatz muss nicht alles sein
Beide Referenten zeigten auch auf, dass Umsatz und Gewinn nicht alles sein muss. Vielleicht sind weniger Behandlungsstunden, mehr Freizeit oder das Überdenken des Behandlungsspektrums auch lohnenswerte Ziele.
Gehälter müssen sich rechnen
Die Erfahrung haben viele Praxisinhaber in den letzten Monaten gemacht: ZFA nach der Abschlussprüfung wie fortgebildete ZFA, aber auch Zahnärzte kommen mit Gehaltsforderungen auf sie zu, die sich am Ende für die Praxis gar nicht mehr rechnen.
Bei allem Verständnis für Gehaltswünsche aufgrund steigender Lebenshaltungskosten muss der Praxisinhaber jedoch für seine Praxis berechnen, ob sich die Einstellung bzw. eine höhere Vergütung rechnet und er oder sie wirtschaftlich in der Lage ist, das gewünschte Gehalt zu bezahlen.
So muss bei dem Gehalt der ZMP oder DH berücksichtigt werden, dass sie einen Behandlungsraum benötigt, eine Einheit nutzt, die abgeschrieben werden muss, Instrumente einsetzt, die sich abnutzen, und Materialien benötigt. Zudem muss von dem Umsatz das Gehalt auch für Urlaubs- und Krankheitstage bezahlt werden.
Gleiches gilt für das Gehalt des angestellten Zahnarztes oder der angestellten Zahnärztin. Dieses muss in Relation zu dem von ihm oder ihr erzielten Umsatz stehen. Zudem muss der Praxisinhaber berücksichtigen, dass er oder sie zusätzlich ca. 20 % Sozialabgaben auf das Gehalt zahlen muss.
Blick in die GOZ lohnt sich
Nachdem die vorherigen Referenten aufgezeigt hatten, wie ein Handlungsbedarf ermittelt wird, zeigte Dr. Michael Striebe, GOZ-Referent der Zahnärztekammer Niedersachsen und Mitglied im Ausschuss Gebührenrecht der BZÄK und im Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen von BZÄK, PKV und Beihilfe, auf, dass die GOZ bei vielen Positionen Bestimmungen enthält, die Möglichkeiten der Berechnung eröffnen, die Praxen nicht bekannt sind und von ihnen daher nicht genutzt werden. Auch wenn es sich im Einzelnen um kleinere Beträge handelt, summieren sich diese doch, zumal hierfür keine zusätzlichen Kosten anfallen. Wichtig ist, diese Leistungen auch zu dokumentieren, damit sie bei Nachfragen belegt werden können.
GOZ-Kommentar
Bis 2012 gab es häufig umfangreiche Schriftwechsel mit der PKV über die Berechnung von Gebühren, bei denen sich jede Seite auf für sie günstige, zumeist – wegen des Streitwerts – nur erstinstanzliche und damit nicht bundesweit anerkannte Urteile berief. Die Bundeszahnärztekammer hat mit ihrem GOZ-Kommentar, den sie gleich zur Neufassung der GOZ 2012 erstellte und seitdem kontinuierlich bearbeitete, eine Standard-Kommentierung geschaffen, an die sich alle Beteiligten halten. Für die Praxen ist dies enorm hilfreich, denn die früher erforderliche Verwaltungsarbeit ist dadurch stark reduziert. Er ist auf der Internetseite der BZÄK leicht zu finden.
Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen
Bereits seit 11 Jahren berät die Bundeszahnärztekammer gemeinsam mit PKV und Beihilfe über die Auslegung der Gebührenordnung. Es sind häufig lange und kontroverse Beratungen, die nicht immer zu einem konsentierten Beschluss führen. Immerhin konnten in diesen Jahren über 60 Beschlüsse gefasst werden, darunter zu so wichtigen Themen wie der privaten PA-Abrechnung. Dr. Striebe zeigte an Beispielen auf, wie die Praxen diese Beschlüsse nutzen können. Leider ist die Tätigkeit dieses wichtigen Gremiums den meisten Zahnärzten nicht bekannt. Die Beschlüsse können einfach im Internet über eine Suchmaschine oder auf der Seite der Bundeszahnärztekammer gefunden werden. Sie sind dort chronologisch, aber auch nach Fachgebieten sortiert.
Interesse an weiteren wirtschaftlichen Fortbildungen?
Wer Interesse an weiteren wirtschaftlichen Fortbildungen hat, findet die Angebote der Kammer auf der Fortbildungsseite in der eigens hierfür eingerichteten Rubrik: Wirtschaftsthemen und Abrechnung (zahnaerzte-hh.de). Dort sind auch gleich Anfang September zwei Seminare mit einem Referenten des Seminars, Herrn Tafuro, zu finden.