Hamburg, 28. August 2023. Bürokratische Lasten und die Frage, wie digitale Lösungen zu mehr Zeit für Patientinnen und Patienten beitragen können, standen im Zentrum des dritten politischen Sommerabends der Hamburger Heilberufekammern. Rund 80 Gäste aus dem Gesundheitswesen, der Politik, den Behörden und den Medien kamen am letzten Tag der Hamburger Sommerferien im Hafen-Klub zusammen. Der politische Sommerabend wurde gemeinsam von Apothekerkammer, Ärztekammer, Psychotherapeutenkammer, Tierärztekammer und Zahnärztekammer ausgerichtet. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren auch Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer und Gesundheits-Staatsrat Tim Angerer.
Dr. Susanne Elsner, Präsidentin der Tierärztekammer Hamburg, unterstrich in ihrer Begrüßung, dass übermäßige Bürokratie schon heute der Patientenversorgung schade: „Wir brauchen mehr Zeit für unsere eigentlichen Berufsaufgaben und weniger Bürokratie. Wir brauchen jedoch auch Rechtsgrundlagen für die Digitalisierung insbesondere für KI - ansonsten ist es wie Autofahren ohne Straßenverkehrsordnung!““, so Dr. Elsner.
Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer dankte den Kammern für ihre Arbeit und ihr Engagement. „Digitalisierung soll Versorgungsprozesse verbessern und die Arbeit der Gesundheitsfachkräfte vereinfachen. In Hamburg haben wir schon früh begonnen, Digitalisierung gemeinsam zu gestalten, und setzen diesen Prozess gemeinsam mit dem Umland in der Telematikinfrastruktur-Modellregion fort. Ich sehe allerdings auch, dass Digitalisierung eine Herausforderung darstellt, nicht zuletzt aufgrund eines erhöhten Beratungsbedarfs von Patientinnen und Patienten und wenn Technik nicht störungsfrei zur Verfügung steht. Hier müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen, um die großen Potenziale der Digitalisierung zu nutzen und auszubauen.“
Dr. Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg, plädierte in seinem Statement dafür, das Gesundheitswesen von überflüssiger Bürokratie zu befreien. „Umfragen aus dem stationären und dem ambulanten Sektor zeigen, wie sehr die Kolleginnen und Kollegen durch Dokumentation und Bürokratie belastet sind. Das summiert sich inzwischen auf mehrere Stunden pro Arbeitstag. Wir müssen über die Einbindung neuer Fachberufe, über kluge, funktionierende digitale Lösungen und eine stringente Weiterentwicklung der Patientensteuerung wieder zeitliche Ressourcen schaffen, die uns im Alltag für die reale Versorgung von Patientinnen und Patienten fehlt. Überbordende und redundante Kontrollmechanismen im Gesundheitswesen haben aber in den letzten Jahren genau diese Ressourcen unnötig verschwendet.“
Holger Gnekow, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, sagte: „Als Apothekerschaft verwenden wir, wie die anderen Heilberufe auch, einen Großteil unserer Zeit, um bürokratischen Verpflichtungen wie zum Beispiel umfangreichen Dokumentationspflichten nachzukommen. Zeit, die besser für die Versorgung der Patientinnen und Patienten genutzt werden sollte. Ziel sollte es daher bei allen künftigen Gesetzgebungen sein, einen Ausgleich zu finden zwischen der notwendigen Bürokratie und der Stärkung der Patientenversorgung in einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung.“
Heike Peper, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer, ergänzte für ihre Profession: „Die Nachfrage nach Psychotherapie ist hoch, die Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz sind oft lang. Wir sollten alles daransetzen, den bürokratischen Aufwand in den Kliniken und Praxen zu verringern, so dass die Arbeitszeit von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten für die Behandlung psychisch erkrankter Menschen zur Verfügung steht.“
Für die Zahnärztekammer hielt Präsident Konstantin von Laffert fest: „In Zeiten des Personalmangels in den Praxen sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die täglich die Versorgung sichern, durch unzählige Vorschriften und Gesetze gebunden, die im Alltag Stress, Unzufriedenheit mit dem Beruf und manchmal sogar Wut erzeugen. Wir leiden unter massivem Bürokratieaufbau. Wenn nichts passiert, wird die Patientenversorgung aus diesem Grunde irgendwann nicht mehr funktionieren und nur noch zentral gesteuerte renditeorientierte Investoren werden die Zahnmedizin zur Vermehrung ihres Kapitals nutzen. Eine solche Zahnmedizin wollen wir nicht! Politik muss endlich reagieren und die Bürokratie spürbar abbauen!“
Wie Digitalisierung helfen kann, den bürokratischen Aufwand in den Heilberufen zu verringern, zeigten Julia Nolting und Johannes Ritter von der TI-Modellregion Hamburg. Dort erproben Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie andere Leistungserbringer aus dem Gesundheitswesen neue Anwendungen vor deren Markteinführung und geben Rückmeldungen an die Gematik und Produktanbieter, an welchen Stellen Nachbesserungsbedarf besteht. So konnte das eRezept vor der Einführung Anfang 2024 an entscheidenden Stellen nachgebessert werden.