Seit über einem Jahr hat uns die Pandemie im Griff. Von einem auf den anderen Tag waren wir gezwungen unseren Unterricht in digitale Räume zu verlegen. Zum Glück hatte das gesamte Kollegium im Herbst 2019 seinen pädagogischen Jahrestag dem Thema Digitalisierung und E-Learning gewidmet. Damit waren wir ein wenig auf die Herausforderungen, die nach den Märzferien 2020 auf uns warteten, vorbereitet. Simplemind- und Erklärvideos, Padlet und Mentimeter konnten wir also schon vorher ausprobieren. Inzwischen sind wir Experten für Webex-Meetings, breakoutrooms und den Umgang mit Videobashing. Sogar ganze Lehrproben sind bereits als Online-Unterricht erfolgreich abgenommen worden.
Im März letzten Jahres war all das von vielen Lehrerinnen und Lehrern noch unvorstellbar. Man kann doch keinen guten Unterricht ohne reale Kontakte machen. Tatsächlich geht es aber doch. Wie läuft nun so ein klassischer Online-Unterricht ab?
Die Lehrperson gibt der Klasse einen Link für den Unterricht bekannt. Wir haben eine ausreichend große Lizenz von Webex Meeting erworben und entsprechende Schulungen durchlaufen. Morgens um 7.45 Uhr loggen sich alle Schülerinnen der Klasse ein und die Lehrperson überprüft die Anwesenheit. Bis zu 25 Schülerinnen sind auf einem Monitor zu erkennen, das reicht für die meisten Klassen. Ansonsten muss man „durch die Teilnehmenden scrollen“. Plötzlich schaut man als Lehrperson in das ein oder andere Jugendzimmer oder in die Küche, lernt teilweise die Eltern und Geschwister kennen, weil sie im Hintergrund ins Bild kommen und freundlich winken. Die Lehrperson gibt einen Überblick über das Tagesprogramm. Wir unterrichten nach Bildungsplan, also in der Regel 6 Unterrichtsstunden pro Schultag. Nach einem Input in Form eines vorbereiteten Vortrages oder eines Erklär-Videos gibt es Arbeitsaufträge und die Klasse arbeitet in Kleingruppen in jeweils einem Break-Outroom. Dort kann intensiv an den Arbeitsaufträgen gearbeitet werden, die Schülerinnen können miteinander diskutieren, Fragen klären und ihre Arbeitsergebnisse festhalten. Dafür stehen dann wieder unterschiedliche Tools zur Verfügung, zum Beispiel ein Padlet. Die Klasse wird dann wieder zusammen in das gemeinsame Meeting geholt. Die Phasen der Kleingruppenarbeit oder der Einzelarbeiten müssen recht überschaubar sein, das haben wir schnell gelernt. Zu groß ist sonst die Gefahr, dass jemand im „Internet“ verloren geht und dann mühselig wieder von der Lehrperson eingefangen werden muss. Fragen und andere Unterhaltungen können parallel auch im progammeigenen Chat geführt werden. Hier muss auch das Ende der wohlverdienten Unterrichtspausen dokumentiert werden, ansonsten ist nur ein Teil der Klasse nach der Pause wieder da – „Ich dachte wir machen um 10.30 Uhr weiter … Auch Klassenarbeiten lassen sich mit entsprechenden Tools online schreiben. Und wenn während der Klassenarbeit in Exammi dann der eingebaute Schummel-Alarm anspringt, ist die Lehrperson sofort in der Leitung.
Das alles klappt natürlich nicht immer uneingeschränkt gut. In der ersten Phase mussten alle Schülerinnen und Lehrpersonen sicher im Umgang mit den neuen Programmen werden. „Ich kann dich nicht hören“ oder „bei mir friert das Bild ein“ oder „ich werde immer rausgeworfen“ sind ständige Begleiter des Online-Unterrichtes. Inzwischen gehen alle Beteiligten gelassener mit diesen Störungen um. Ein großes Problem ist auch die technische Ausstattung. Viele Schülerinnen absolvieren den gesamten Unterricht am Smartphone (30%) weil sie keinen PC, kein Laptop und auch kein Tablet haben. Über einen Drucker verfügen 13% der Schülerinnen.
Bereits im Herbst 2020 haben wir eine flächendeckende Befragung zum Online-Unterricht erhoben, über 900 Schülerinnen haben sich beteiligt. Auf die Frage „Ich kam mit dem Online-Unterricht über Webex gut zurecht“ antworteten 63% mit „Stimmt“ und 27% mit „Stimmt teilweise“. Und: „Wie würden Sie die Arbeit des Lehrerteams bewerten?“ sagen 45% „Die Lehrer haben ein abwechslungsreiches Lernangebot zur Verfügung gestellt“. 43% sagten „Es war kein Unterschied, es gab das gleiche Material wie sonst auch“. Die überwiegende Mehrheit fühlte sich durch ihre Lehrerinnen und Lehrer unterstützt: 64 % „Stimmt“ und 27% „Stimmt teilweise“. Auch die Abschlussevaluation der Prüfungsklassen, immerhin haben diese 1/3 der Ausbildungszeit in der Pandemie absolviert, attestiert uns eine ausgesprochen gute Arbeit. Das spornt uns an.
Die Pandemie hat auf jeden Fall der BS15 hinsichtlich der Digitalisierung zu einem großen Entwicklungsschub verholfen. Wir werden Elemente des Online- bzw. Fernlernens nach der Pandemie in unseren Regelbetrieb übernehmen.
Stefan Kurbjuhn
Schulleiter
Berufliche Schule für medizinische Fachberufe auf der Elbinsel Wilhelmsburg (BS15)